Vor allem in evangelikalen Kreisen kommen Konversionstherapien häufig vor. Dort gilt gelebte Homosexualität als Sünde. Dem Sünder aber könne und müsse sogar geholfen werden. Die LSU sieht das anders.
Die Bombe ist geplatzt. Endlich! Samuel Schwertner* (21 Jahre) steht mit seiner großen Liebe im Wohnzimmer und stellt sie seinen Eltern vor.
Seine Eltern: Fassungslos bis zur Schockstarre. Es ist nicht wie erwartet (erhofft) Tina aus der Gemeinde, sondern Justus aus der Berufsschule ... ein Mann!
Der erste Schock ist verarbeitet. Sie müssen dringend mit Samuel reden, denn Homosexualität und Gott sind unvereinbar miteinander. Letzte Lösung, um das nahende jüngste Gericht zu überstehen: Die Konversionstherapie! Sie wird Samuel zusammen mit Gebet und dem heiligen Geist helfen, seine homosexuellen Gefühle zu überwinden. Noch hat der Teufel die Schlacht um Samuels Seele nicht gewonnen.
Das Ganze klingt doch stark nach einer Ausnahmesituation in unserm aufgeklärten und liberalen Deutschland des 21. Jahrhunderts. Bedauerlicherweise ist diese Begebenheit, auch wenn die Personen erfunden sind, in evangelikalen Kreisen und christlichen Sekten Alltagssituation und die Konversionstherapie, die von der Homosexualität befreien soll, eine traurige Realität.
Wichtig ist eins: Um Konversionstherapien zu verstehen und dagegen zu argumentieren, muss man sich dabei mit den Motiven der Befürworter und der Betroffenen auseinandersetzen. Diese umstrittene Therapieform ist nämlich nur die Krönung eines Prozesses, der für homosexuelle Menschen einen oftmals jahrelangen Leidensweg aus Gewissenskonflikten, Magengeschwüren und Selbstzweifeln mit sich bringt.
Gelebte Homosexualität ist Sünde?
Befürworter der Konversionstherapie, wie auch Samuels Eltern, lehnen gelebte Homosexualität als eine Todsünde ab, die Gott niemals vergeben kann und stützen sich dabei auf Aussagen der Bibel wie u.a. 3. Mose 18:22 (Und du sollst nicht bei einer männlichen Person ebenso liegen, wie du bei einer Frau liegst. Es ist eine Abscheulichkeit.) oder 1. Korinther 6:9,10 (… noch Männer, die bei männlichen Personen liegen... werden Gottes Königreich erben.)
Wenn man die Bibel wortwörtlich interpretiert, dann scheint diese Angst vollkommen berechtigt und Samuel muss besser heute noch als morgen handeln – sich von Justus trennen, Gott seine Sünden bekennen und mit voller Elan die Konversationstherapie antreten, bevor das prophezeite jüngste Gericht über die Erde hereinbricht.
Gott sein Dank lohnt es sich jedoch das Ganze zu hinterfragen.
Wenn man die oben genannten Bibelverse liest, erkennt man in ihnen eine prägende Wurzel für die Anwendung der Konversionstherapien. Interessant hierbei ist, dass in beiden Passagen immer nur von Männern die Rede ist, die verurteilt werden. Frauen werden darin nicht erwähnt. Gab es gleichgeschlechtliche Liebe unter Frauen damals etwa nicht? Unwahrscheinlich.
Und was ist mit David, der in 1. Samuel 1:26 offen zugab, dass ihm die Liebe Jonathans mehr zusagte, als die von Frauen? Wenn Gott das Thema doch so anwidert, wie kann eine solche Aussage voll bisexueller Fantasien dann Platz in der Bibel finden? Ist das nicht alles ein bisschen widersprüchlich?
Jesu Wirken ist von Liebe, Verständnis und Toleranz geprägt
Um ehrlich zu sein kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass die Bibel von Menschen geschrieben wurde, die von damaligen Trends ihrer Zeit geprägt wurden und genauso wie wir heute ihre Gefühle, Leidenschaft, Wünsche, Vorlieben und Vorurteile besaßen. Kurz gesagt: Die Bibel ist ein Buch, das von unvollkommenen Menschen mit ihren eigenen Gedanken verfasst wurde und nicht von Gott selbst, der es Wort für Wort vorgetragen hat.
Samuel bringt diese Argumente gegenüber seinen Eltern an und das ist sein gutes Recht, denn im Großen und Ganzen ist die Bibel und ganz besonders das Wirken Jesu geprägt von Liebe, Verständnis und Toleranz. Er ging gerne zu jenen, die von der Gesellschaft Ausgeschlossene waren oder Minderheiten darstellten und stärkte sie in ihrer Liebe und ihrem Vertrauen zu Gott.
Stand das Christentum der Anfänge nicht in dem Ruf einer Glaubensdiktatur, sondern lebte von Miteinanderreden und Diskussionen in Gemeinschaft über die Gesellschaft, ihr Handeln und das Revidieren von Gesetzen, Regeln und Werten.
Auch heute ist Recht und gleichzeitig Pflicht von Menschen, die christliche Werte schätzen, alteingesessene Ansichten auf ihren Sinn zu hinterfragen und gegebenenfalls. zu korrigieren. Konservativ kommt schließlich nicht von Konserve, wie Angela Merkel beim letzten CDU-Parteitag in ihrer Abschiedsrede als Vorsitzende noch einmal ausdrücklich betonte.
Dazu gehören auch die Konversionstherapien, die keinen Erfolg zeigen, da sich Liebe und Gefühle nicht verbiegen lassen.
Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte im Februar dieses Jahres an, diese fragwürdige Therapieform verbieten zu wollen und das ist ein richtiger und wichtiger Schritt für die gesamte Gesellschaft.
Wir wissen nicht, wie das Verbotsverfahren ausgehen wird. Uns als LSU muss klar sein, dass es immer noch viele Befürworter der Konversionstherapien gibt. Daher sollten wir für Diskussionen gewappnet sein und statt mit ihnen heftig zu streiten, versuchen zielführende Gespräche anhand der „Wurzel des Problems“ zu führen. Nur so kann ihnen die Angst vor der Homosexualität genommen werden.
Uns ist bewusst, dass wir niemals alle überzeugen können, aber wir können einen großen Schritt dazu beitragen, dass mehr Menschen erkennen, dass Glaube und Homosexualität nicht im Widerspruch zueinander stehen und dass Betroffene im guten Glauben zu sich und ihrer Sexualität stehen können.
Konversionstherapie: Ein ganz klares NEIN seitens der LSU!