„Ich bin ein eher sachlich-fachlicher Mensch“

Christine Karasch im LSU-Interview

Christine Karasch möchte im Herbst Präsidentin der Region Hannover werden. Am 12. September stellt sie sich zur Wahl, um in den kommenden fünf Jahren die Geschicke der Regionsverwaltung zu lenken. Was treibt sie an?

LSU: Frau Karasch, Sie sind bereits jetzt Teil der Regionsverwaltung und kennen den Betrieb daher sehr gut. Was würden Sie anders machen als ihr Vorgänger?

Karasch: Die Region Hannover ist als Institution zu politisiert. Das bedeutet, dass politische Verhältnisse vor Ort darüber entscheiden, ob Leistungen erbracht werden. Und auch, dass Sachthemen politisch gesteuert werden und der eigentliche Gedanke, Dienstleister für alle zu und gerecht Leistungen in die Region zu bringen, in den Hintergrund gerät. .  -Das hat mich erschrocken, als das mitbekommen habe. Das widerstrebt mir. Ich habe so etwas schon einmal mitbekommen, als ich in Wuppertal gearbeitet habe. SPD-Seilschaften haben dort jahrelang den Ton angegeben. Ideologie hat die Verwaltung geprägt, nicht mehr das Sachliche. Das Ergebnis war eine abgewirtschaftete Stadt, mit desolater Finanzlage, maroder Infrastruktur und schlechtem Image. Es hat 20 Jahre gebraucht, Haushalt und Gebäude zu sanieren und der Stadt wieder eine positive Entwicklung zu geben. Solchen Entwicklungen trete ich deshalb klar entgegen, ich bin ein eher sachlich, fachlich denkender und handelnder Mensch.

LSU: Politisiert war auch der Christopher Street Day, bei dem Sie in diesem Jahr für die CDU auf der Bühne gestanden haben – unter erschwerten Bedingungen, weil in der Woche davor die Große Koalition im Bundestag zahlreiche Initiativen der Opposition zur LSBTI-Politik abgelehnt hatte. Sie wurden dafür nun ausgebuht. Wie haben Sie diesen Auftritt erlebt?

Karasch: (schlägt die Hände vorm Gesicht zusammen) Ich habe so etwas erwartet, aber ich bin nicht so ängstlich. Allerdings war ich erstaunt von der politisch einseitigen Ausrichtung, die ich dort wahrgenommen habe. Einen CSD habe ich, zugegeben, noch nie aus der Nähe erlebt, aber ich war überrascht, dass eine Veranstaltung, die sich Toleranz als Merkmal gegeben hat, so intolerant sein kann. Ich habe aber auch eine große Solidarität wahrgenommen.

LSU: Die Landeshauptstadt Hannover hat vor ein paar Jahren mit ihrem Vorstoß bei der „gendergerechten Sprache“ für Furore gesorgt. Ein Kritikpunkt ist ja, dass die ohnehin schon komplizierte Verwaltungssprache dadurch vielleicht noch schlechter verständlich wird…

Karasch: In der Regionsverwaltung werden sämtliche Veröffentlichungen auch in einfacher Sprache abgefasst. Wie das in Verbindung mit gendergerechter Sprache aussehen kann, habe ich noch nie gesehen, weil Regionspräsident Jagau von der SPD den Genderstern abgelehnt hat. Die Gleichstellungsbeauftragte wartet allerdings nur auf einen Wechsel an der Spitze.

LSU: Wie stehen Sie denn zum Genderstern?

Karasch: In meiner ersten Wahlwerbe-Broschüre habe ich den Genderstern verwendet, weil es mir einfach praktischer erschien. Ich war der Ansicht, dass sich „Radfahrer*innen“ schlicht einfacher liest als „Radfahrerinnen und Radfahrer“. Allerdings hätte ich nie gedacht, wie viel Energie manche Leute doch aufbringen können, ihrer Ablehnung Ausdruck zu geben. Wenn ich Regionspräsidentin bin, werde ich die Debatte führen, man kann das nicht einfach mit einer Basta-Entscheidung abwürgen. Ich gehöre ja noch zu der Generation die an der Uni in Hausarbeiten immer die männliche Variante gewählt hat und in der Fußnote angemerkt hat, die Frauen seien mitgemeint. Inzwischen weiß ich, dass man die weibliche Form aber eben doch nicht mitdenkt und die Frage nach dem dritten Geschlecht auch nicht berücksichtigt.  Da muss man das nach 20 Jahren dann anerkennen, dass es da Diskussionsbedarf gibt.

LSU: Wie steht es denn in der Region ansonsten so mit der Gleichberechtigung der Geschlechter?

Karasch: Wenn ich Regionspräsidentin würde, gäbe es nur noch einen männlichen Dezernenten. In der Leitung erfüllen wir das Soll also über, ebenso sind die Fachbereichsleitungen überwiegend weiblich und auch Vorständinnen bei der Üstra beispielsweise rein weiblich. Es ist eher der Mittelbau der Verwaltung, wo die Frauen noch immer unterrepräsentiert sind.

LSU: Die Corona-Pandemie hat uns allen deutlich gemacht, dass die Landkreise genau wie die Region Hannover mit den Gesundheitsämtern eine wichtige Rolle spielen bei der Bevölkerungsgesundheit. Bei der Sexualgesundheit ergänzen die Aidshilfen das kommunale Angebot. Allerdings befinden sich die Aidshilfen im Wandel, der neue Name Checkpoint macht das deutlich. Es geht mehr um Zentren für Sexualgesundheit, weniger um Aids. Wie blicken Sie auf die Veränderungen im kommunalen Gesundheitsbereich?

Karasch: Man muss kritisch hinsehen und überprüfen, wenn sich Inhalte verändert haben. Dann muss man die Strukturen gegebenenfalls auch anpassen. Die Gesundheitsämter verändern sich derzeit. Früher waren sie eher ordnungspolitisch orientiert, inzwischen geht es mehr um Prävention, etwa auch über die Ernährungsbildung. Corona hat das noch einmal hervorgehoben. Die Struktur wird sich verändern, aber nicht wegfallen. So sehe ich das auch im Zusammenspiel mit den Aidshilfen. Wenn sich die Aufgaben verändern, sollten wir zunächst prüfen, wie die Strukturen angepasst werden sollten. Und dann müssen wir das machen. Die Zielgruppenspezifische Ansprache ist wichtig, aber es braucht auch die Ansprache über die Gesundheitsämter. Ich unterstütze die Aidshilfen gerne bei der neuen Ausrichtung in der Region Hannover.

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